Aus den Berichten von psychiatrieerfahrenen Menschen und deren Angehörigen – teilweise auch von Psychiatrie-Fachpersonen, kann geschlossen werden, dass Menschen, die in akute, seelische Krisen geraten, in Baden-Württemberg unterversorgt sind. Hier tun sich im psychiatrischen Hilfesystem Lücken auf, die geschlossen werden müssen. Der Aufbau von speziellen Krisendiensten ist hier ein vielversprechender Ansatz, das Problem in Baden-Württemberg zu lösen. Es liegt auf der Hand, dass es dafür keine allgemeingültiges Konzept gibt, da die Verhältnisse vor Ort sehr unterschiedlich sind. Sind doch zum Beispiel die Möglichkeiten im ländlichen Raum deutlich unterschiedlich zu denen in größeren Städten.
Wie ein Krisendienst aussehen sollte
Ein Krisendienst sollte mit Anlaufstelle und Krisentelefon, mobilen Krisenteams und einer Krisenwohnung ausgestattet sein. In der Anlaufstelle gibt es die Möglichkeit helfende Gespräche mit den Betroffenen zu führen. Im besten Fall kann hier auch die Verwaltung des Krisendienstes untergebracht sein. Die Krisenwohnung mit der Möglichkeit vorübergehend das krisenfördernde Umfeld zu verlassen und in kompetenter Begleitung für einige Tage zur Ruhe zu kommen, verbessert die Wirkung des Hilfsangebots wesentlich. Es kann allerdings sinnvoll sein, dass die Krisenwohnung erst in einer zweiten Ausbaustufe realisiert wird. Die Telefonnummer des Krisendienstes muss in der Region weitmöglichst bekannt gemacht werden.
Es sollte jederzeit die Möglichkeit bestehen über das Krisentelefon Kontakt zum Krisendienst aufzunehmen. Außeneinsätze der mobilen Teams sollten 24stündig an 365 Tagen im Jahr vorgehalten werden. Aus ökonomischen Gründen und aufgrund der Verhältnisse vor Ort, kann es sein, dass die Erreichbarkeit des Krisendienstes eingeschränkt werden muss. Auf Dienstzeiten nachts, am Wochenende und an Feiertagen sollte allerdings nicht verzichtet werden. Ebenso ist es unverzichtbar, dass es die Möglichkeit gibt aufsuchend zu arbeiten, denn Menschen, die nicht in der Lage sind die Anlaufstelle aufzusuchen, dürfen von dem Hilfsangebot nicht ausgeschlossen sein. Medizinische Kompetenz sollte dem Krisendienst zur Verfügung stehen.
In Flächenlandkreisen sind die weiten Entfernungen und die dünne Besiedlung zu berücksichtigen. Hier braucht es eventuell Satellitenlösungen, wie zum Beispiel, dass das oft gut ausgebaute Netz der Sozialstationen mit entsprechend geschultem Personal genutzt wird.
Modell psychosozialer Krisendienst Trier
Der psychosoziale Krisendienst Trier empfiehlt sich als Minimallösung mit einem minimalen finanziellen Aufwand. Hier gelingt es einen Krisendienst mit Anlaufstelle, Krisentelefon und mobilen Krisenteams mit beeindruckend wenig Finanzmittel zu betreiben. Der Kreis und die Stadt teilen sich hierfür die Kosten. Einsatzzeiten des Krisendienstes bzw. der mobilen Krisenteams sind zwischen 12:00-24:00 Uhr am Wochenende und an Feiertagen. Die Einsätze werden in ehrenamtlich arbeitenden Tandems durchgeführt, wobei diese aus einer Fachkraft und einer Nichtfachkraft bestehen. In Trier sind dies Studentinnen und Studenten der sozialen Fächer und 18 Fachkräfte aus einem Mitarbeiterpool des Gemeindepsychiatrischen Verbunds (GPV). Die Räume und die Dienstfahrzeuge stellt das Gesundheitsamt kostenlos zur Verfügung, da diese am Wochenende und feiertags nicht genutzt werden. Die Bezahlung erfolgt per Übungsleiterpauschale gleichermaßen an alle Mitarbeitende mit Ausnahme der Verwaltungskraft.
Merkmale eines Krisendienstes
Als Merkmale eine Krisendienses empfehlen wir folgende:
- Einbindung von medizinischer Kompetenz
- Gute Vernetzung im GPV und darüber hinaus (z.B. Polizei und Hausärzte)
- Möglichst Verbundlösung im GPV. Entweder übernimmt ein Träger aus der Region die Verantwortung oder ein eigens gegründeter Verein bzw. eine gGmbH.
- Mitarbeit von geeigneten Ehrenamtlichen oder EX-IN-Genesungsbegleiterinnen und EX-IN-Genesungsbegleitern.
- Der Krisendienst soll allen Bürgern der Region kostenfrei zur Verfügung stehen. Die oder der Hilfesuchende definiert es, ob eine Krise besteht.
Finanzierung
Möglichkeiten der Finanzierung könnten sein:
SGB V – – > Bei Verbundlösung im GPV vermutlich nicht möglich
Integrierte Versorgung – – > Krisenbegleitung ist dann nur Teil es integrierenden Hilfenetzes
Umlageprinzip im GPV und darüber hinaus
Übungsleiterpauschale
Stadt- und Landkreise, Städte
Stiftungen
Weitere Empfehlungen
Es ist vorteilhaft von der Realisierung eine möglichst genaue Bedarfsermittlung durchzuführen
Wissenschaftliche Begleitung (z.B. über Masterarbeit)
Zusammenfassung
Die offensichtliche Mangelsituation kann nicht über die aktuellen existierenden Dienste gelöst werden. Eine bessere Vernetzung in der Region alleine reicht nicht aus. Es empfiehlt sich der Aufbau von psychosozialen Krisendiensten mit Einbezug medizinischer Kompetenz als gemeinsame Aufgabe des Gemeindepsychiatrischen Verbundes. Die unterschiedlichen Gegebenheiten in der Region sind zu berücksichtigen.