Seelische Erkrankung: Was sage ich Familie, Freunden und Arbeitgeber?

Die Offenlegung einer psychischen Krankenheit gehört zu den schwierigsten Momenten für einen Betroffenen. Der LVPEBW führt deshalb regelmäßig sogenannte IWS-Seminare durch.Um die Wartezeit bis zum nächsten Seminar zu verkürzten hier ein Text zu diesem Thema – mit freundlicher Genehmigung des Autors Dennis Riehle.

 

Seelische Erkrankung: Was sage ich Familie, Freunden und Arbeitgeber?

 

Wenn Menschen psychisch erkranken, leiden sie oftmals das erste Mal in ihrem Leben unter einer seelischen Störung, die sie verunsichert, aus der Bahn wirft und vor wichtige Entscheidungen stellt. Dazu gehört unter anderem die Abwägung darüber, ob und wie man Personen aus dem engsten Umkreis in die Krankheitsgeschichte einbezieht. Ist es sinnvoll und notwendig, Angehörigen zu sagen, was los ist? Welche moralische Verpflichtung habe ich ihnen gegenüber, sie an meiner Diagnose teilhaben zu lassen? Und wie steht es um das weitere Umfeld: Bin ich Freunden, Bekannten oder gar dem Arbeitgeber Rechenschaft schuldig? Viel Unklarheit führt dazu, dass sich Betroffene zurückziehen und sich gar niemandem anvertrauen, obwohl das für die Bewältigung des Leidensdruck hilfreich ist.

 

  • Gegenüber den engsten Bezugspersonen sollte eigentlich stets über die psychische Krankheit aufgeklärt werden, immerhin sind sie oftmals direkt in die Erkrankung eingebunden, indem sie veränderte Verhaltensweisen wahrnehmen, Ohnmacht gegenüber den belastenden Symptomen ihres Angehörigen verspüren oder gar für gedankliche Rückversicherung in Anspruch genommen werden. Nicht selten ist die Überforderung für nahestehende Menschen höher als für den Betroffenen selbst. Letztlich empfinden sie große Hilflosigkeit, können aber die Souveränität und Würde des Erkrankten nicht angreifen und müssen sich daher auf dessen Rationalität und Eigenverantwortung verlassen, solange er nicht selbst- oder fremdgefährdend denkt oder handelt. Niemandem kann Unterstützung aufgezwungen werden, sodass den Angehörigen nur das immerwährende Angebot zur Hilfe bleibt. Umgekehrt gilt allerdings ebenso: Sofern der Erkrankte den Eindruck hat, wonach die nächsten Verwandten aus bestimmten Gründen eine seelische Störung nicht annehmen oder ernstnehmen wollen, gebietet sich die Inanspruchnahme einer Familienberatung.
  • Generell gibt es keine pauschale Aussage darüber, wie man gegenüber Freunden, Bekannten und der Öffentlichkeit mit einer eigenen (psychischen) Erkrankung umgehen soll. Dies ist eine Abwägung, die von der Art des seelischen Leidens, Persönlichkeitseigenschaften des Betroffenen und dem Umfeld an sich abhängt. Insofern kann es keine Empfehlungen zu Offenheit oder Transparenz geben, wenngleich viele Erkrankte berichten, dass ein offensives Umgehen mit den Beeinträchtigungen dabei hilft, die Krankheit als ein Phänomen zu akzeptieren, welches mittlerweile gesellschaftlich weit verbreitet ist. Sie beschreiben vor allem, dass das „Versteckspiel“ sehr viel Kraft benötigt und dadurch das eigentliche Störungsbild weiter befeuert werden kann. Gleichermaßen erzählen viele Betroffene, wonach es überaus beschwerlich ist, den Ballast eines Geheimnisses dauerhaft umherzutragen. Selbstredend scheint es nicht hilfreich und sinnvoll zu sein, mit den eigenen Krankheiten insofern „hausieren“ zu gehen, dass dem Umfeld – beispielsweise aus dem Bedürfnis nach Mitgefühl – die Beschwerden aufgedrängt und ohne dessen Nachfragen serviert werden. Das „gesunde Bauchgefühl“ sollte ein entsprechender Wegweiser sein, welches Vertrauen zwischen dem Erkrankten und dem weiteren Umkreis besteht. Daran kann man festmachen, ob die Erwähnung der Erkrankung zielführen sein kann – zum Beispiel, weil sie manche Verhaltensweisen entsprechend erklärt. Es rät sich ein portionsweises Offenlegen an, über dessen Umfang und Inhalt der Betroffene selbstbestimmt entscheidet. Man ist nicht auskunftspflichtig, dennoch kann die Aussprache erleichtern und mögliche Spekulationen des Gegenübers schlussendlich beenden.
  • Beim Arbeitgeber gilt zunächst: Niemand ist verpflichtet, dem Vorgesetzten Details einer bestehenden (psychischen) Erkrankung zu offenbaren. Auch ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine Frage des Chefs zu einer Schwerbehinderung im laufenden Beschäftigungsverhältnis zunächst unzulässig. Dies gilt auch gegenüber Personen, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ergeben, dass nach sechs Monaten seit Beginn der Anstellung eine diesbezügliche Frage insbesondere dann zulässig ist, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Schwerbehinderung bestimmte Schutzvorschriften beachten muss, beispielsweise vor einer anstehenden Kündigung. Eine Mitteilung über die bestehende Behinderung scheint immer dann sinnvoll und notwendig, wenn sich der Arbeitnehmer daraus bestimmte Nachteilsausgleiche erhofft (zum Beispiel Zusatzurlaub, behindertengerechter Arbeitsplatz, Förderung der Integration, Ausgleichsabgabe und Beschäftigungspflicht, Zustimmung zum Ende des Arbeitsvertragsverhältnisses, Prävention oder Benachteiligungsverbot). Der Chef kann in diesen Fällen als Nachweis den Schwerbehindertenausweis zur Ansicht verlangen, es sei denn, die Schwerbehinderung ist offensichtlich.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Frage nach dem Umgang mit einer Krankheit gegenüber dem persönlichen Umfeld stets eine Einzelfallentscheidung bleibt. Niemand sollte sich zur Darbringung von Feinheiten über eine psychische Erkrankung genötigt sehen, denn es obliegt jedem Betroffenen – auch im Falle von schwerwiegenden Störungsbildern –, den Bewältigungsprozess aus eigenem Antrieb heraus zu gestalten.

 

 

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:

 

Dennis Riehle

Psychologischer und Psychosozialer Berater

Sozialrecht (zertifiziert) | Integrationsberater | Coaching

 

Tel.: 07531/955401

Mail: Beratung@Riehle-Dennis.de

 

Es kann lediglich eine Allgemeine Sozialgesetzaufklärung erfolgen.

Juristische Einzelfallbewertungen sind Rechtsanwälten vorbehalten.