Song „VIP in der Psychiatrie“ stigmatisiert und verletzt

Deutschland diskutiert über das Ballermann-Liedchen Layla. Dabei gibt es noch viel beleidigendere Lieder.  Unsere Vorständin Carina Kebbel hat dazu einen offenen Brief an den Veranstalter des „Das Fest“ und den Bürgermeister von Karlsruhe geschrieben. Am 24.7.2022 schrieb unsere Vorständin, Carina Kebbel einen offenen Brief an die Veranstalter des „DAS FEST“ in Karlsruhe aufgrund eines Auftritts der DJ „Drunken Masters“, mit der Bitte sich den dort aufgeführten Song „VIP in der Psychiatrie“ näher anzusehen und zukünftig keinen solchen ähnlich gearteten Songs auf der mit städtischen Mittel finanzierten Veranstaltung eine Plattform zu geben. Dieses Lied und insbesondere das Video verletzt und stigmatisiert in erheblicher Weise psychisch erkrankte Menschen.

Seitdem wird im Hintergrund des „Layla-Skandals“ eine von uns nicht beabsichtigte Diskussion über Kunstfreiheit und Zensur geführt. Für unseren offenen Brief erhalten wir bisher in der Regel kein Verständnis oder werden sogar dafür angegriffen.

Aber prüfen Sie selbst, ob unsere Reaktion nachvollziehbar war – und ob Sie vielleicht auch unserer Meinung sind.

Sie erhalten auf dieser Seite Zugang zu dem offenen Brief. Daneben erhalten Sie Zugang zu einem Dossier, welches die Reakitonen auf unsere Aktion sammelt. Unten im Text verlinken wir auf dieses verstörende Lied in Youtube.

Hier das gesamte Dossier zu dem Fall:

Dossier VIP in der Psychiatrie

Damit keine Missverständnisse aufkommen:

  • Unsere Vorständin hat nicht die Band K.I.Z. kritisiert, sondern die Drunken Masters.
  • Sie plädiert nicht dafür, Lied und Video zu verbieten.
  • Sie möchte jedoch ihre persönliche Kritik daran öffentlich äußern dürfen, sich hierzu mit anderen Menschen austauschen und zusammenschließen dürfen, um zu signalisieren: ja, sehr viele Menschen finden das Lied gut, sehr viele finden es aber auch völlig unmöglich.
  • Sie findet, dass ein solches Lied (und auch nur der Refrain davon) nicht auf eine Bühne von einem Festival gehört, welches sich solche Werte auf die Fahne schreibt wie DAS FEST.
  • Ein kleiner Stand an der Infomeile – weit ab vom wesentlichen Geschehen des Festivals (wie vom Veranstalter angeboten) für die Anti-Stigma-Arbeit und dann ein Auftritt der Drunken Masters auf der Hauptbühne (mit ihres Erachtens Pro-Stigma-Effekt) – das halten wir für eine sehr ungute Gewichtung. Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Einstellung der
    „Mehrheitsgesellschaft“ zu psychischen Erkrankungen in vielen Fällen noch deutlich Luft nach oben hat.
  • Keine Kritik zu äußern, nur um nicht ungewollt „Werbung“ für ein solches Lied und Video zu machen, halten wir für den falschen Weg.
  • Wenn sie eine berechtigte Kritik formuliert und in Form eines offenen Briefs an drei Empfänger versendet, dann wünschen wir uns eine wirkliche Auseinandersetzung damit. Wir sind nicht mit einem „Standardschreiben“ als Antwort auf den ersten offenen Brief einverstanden und haltne es für unmöglich, dass auf den zweiten offenen Brief gar keine Reaktion von einer der drei Stellen eingegangen ist.

 

Hier der offene Brief

Karlsruhe, den 24.07.2022


Sehr geehrte Geschäftsführung der Karlsruhe Marketing und Event GmbH,
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Mentrup,
Sehr geehrte Leitung des Stadtjugendausschusses,


seit vielen Jahren besuche ich mit großer Begeisterung immer wieder „das Fest“ hier in Karlsruhe – gemeinsam mit Freund*innen und Familienmitgliedern. Ich hatte mich sehr gefreut, dass nun nach der Corona-Pause wieder ein richtiges Fest stattfinden kann und habe mir natürlich gleich für alle vier Tage Karten gekauft.

Der Auftritt von Jan Delay gestern hat eine wunderschöne Fest-Stimmung gezaubert und es war ein wirklich schöner Abend. Dann aber kamen die „Drunken Masters“ auf die Bühne. Diese begeisterten mich musikalisch wenig, aber bei „das Fest“ muss natürlich ein breiter musikalischer Mix angeboten werden, damit für jede*n etwas dabei sein kann. Als dann jedoch ein Refrain von K.IZ. eingespielt wurde, der lautet „VIP in der Psychiatrie“ war ich einfach fassungslos und fand diesen absolut unmöglich.


Hierzu sollte ich vielleicht ergänzend erklären, dass ich seit 12 Jahren als Sozialarbeiterin im Zentrum für seelische Gesundheit hier in Karlsruhe tätig bin, selbst eine psychische Erkrankung habe und mich aus diesem Grund auch seit einem Jahr ehrenamtlich im LVPEBW e. V. engagiere. Auch eine Freundin, die gestern Abend dabei war, war sichtlich irritiert und unangenehm berührt von dieser Textzeile.


Da ich Dinge gerne genau wissen möchte, bevor ich mir dazu eine Meinung bilde, habe ich dann heute morgen bei Youtube das offizielle Video zu diesem Lied angesehen. Wenn ich dieser Präsentation im Netz glauben darf, dann wurde dieses unmögliche, diskriminierende und verletzende Video von den „Drunken Masters“ produziert.


Bedingt durch meinen beruflichen Zugang sowie meine eigene Betroffenheit, liegt es mir sehr am Herzen, mich für den Abbau bzw. die Reduzierung von Stigmatisierung von Menschen auf Grund einer psychiatrischen Diagnose einzusetzen. Dieses Lied und insbesondere das offizielle Video forcieren meines Erachtens genau diese
Stigmatisierung, indem alle negativen Stereotype bedient und in schockierender Weise dargestellt werden.


Ich halte Grund- und Freiheitsrechte für ein wichtiges Rechtsgut und stehe Einschränkungen in diesem Bereich durchaus auch kritisch gegenüber. Ein solches Lied – und insbesondere ein solches Video – dürften aber meines Erachtens nicht produziert und verbreitet werden.


Hierauf haben Sie als Veranstalter eines Festivals natürlich keinen Einfluss – wohl aber darauf, welche Bands und Gruppen Sie bei „das Fest“ in Karlsruhe einladen und auftreten lassen. Ich möchte Ihnen rückmelden, dass ich es in keiner Weise für angemessen oder vertretbar halte, ein Gruppe wie die „Drunken Masters“ auftreten zu lassen. Ich würde mir wünschen, dass Sie in den nächsten Jahren bei der Planung für „das Fest“ gründlicher recherchieren, wen Sie dort auftreten lassen und Ihre Entscheidung entsprechend reflektieren.

Mit freundlichen Grüßen
Carina Kebbel
Sozialarbeiterin (M.A.)
Dipl.-Soz.Arb. (FH) / Dipl.-Soz.Päd. (FH)
Vorstand des Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg e.V.

 

Hier der Link zum Video

Bitte beachten: Der Anfang erweckt den Anschein, es handelt sich um eine Dokumentation.