
Selbsthilfegruppen im Landkreis Lörrach haben einen Aufruf für eine bessere psychosoziale ambulante Versorgung an Enscheider und Politker versandt.
Der LVPEBW unterstützt diesen Aufruf. Der Landkreis Lörrach steht stellvertretend für die Unterversorgung in ganz Baden Württemberg. Hier finden unsere Stellungnahme mit konkreten Verbesserungsvorschlägen an die Entscheider aus Sicht der Betroffenen:
Sehr geehrte Aktive,
Danke, dass Sie sich dem Thema annehmen. Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg (LVPEBW) steht hier geschlossen hinter Ihnen und trägt Ihre dargelegten Mängel in der Versorgung für die Betroffenen und Angehörigen von seelisch und psychisch belasteten und erkrankten Menschen mit. Wie Ihnen sicher bekannt ist, sind wir vom Verband schon längere Zeit mit dieser Unterversorgung involviert und setzen uns als fachlich und politisch anerkannte Interessenvertretung von Psychiatrie-Erfahrenen Menschen und Angehörigen ein.
Den von Ihnen gestarteten Aufruf können wir im vollen Umfang nur bestätigen. Diese Mängel der Unterversorgung, nicht nur in Ihrem Landkreis, sondern in ganz Baden-Württemberg, sind verheerend. Darum sehen wir als Verband Ihren Landkreis als Vorreiter und stellvertretend für alle Landkreise in Baden-Württemberg und darüber hinaus. Es ist nicht erst fünf vor zwölf, sondern schon weit darüber hinaus, und das seit längerer Zeit.
Es muss jetzt dringend auf, Kommunal-, Kreis-, Landes- und Bundesebene, in Ministerien, den Ebenen der Krankenkassenvereinigung und den Landes- und Bundesverbänden viel mehr, geschlossen und mit mehr Druck auf diese Verantwortlichen zugegangen werden, um diesen Missständen endlich entgegenzuwirken.
Hier einige wichtige Punkte, die nach unserer Ansicht berücksichtigt werden sollten:
Bedarfsplanung nach Bundesgesetzen:
Es ist notwendig, den Regelbedarf unbedingt auch nach Krankenstands- und Betroffenenzahlen, und nicht nur nach Bevölkerungszahlen zu planen.
Förderung für die Bundesländer:
Förderung, die jedes Bundesland jedes Jahr für die Psychiatrie-Versorgung erhält, müssen auch in dem jeweiligen Bundesland abgerufen und verwendet werden und dürfen nicht bei Nichtbedarf, aus wessen Grund auch immer, an andere Bundesländer weitergegeben werden. Es sollte eine Pflicht zur Verwendung im eigenen Bundesland eingeführt werden.
Mehr Medien einbeziehen:
Eine stärkere mediale Präsenz kann das Bewusstsein für die Problematik schärfen und den öffentlichen Druck erhöhen.
Zusammenarbeit der Landes- und Bundesverbände:
Eine engere Zusammenarbeit und Annäherung der Landesverbände der Betroffenen und Angehörigen mit den Bundesverbänden ist essenziell.
Unterstützung für mehr Selbsthilfewirkung:
Selbsthilfegruppen (SHG) sollten stärker gefördert werden, um ihre Wirkung zu verstärken. Dies gilt auch für außerstationäre Krisenbegleitungen. In den Landkreisen Lörrach und Waldshut ist die ask-lw als ehrenamtliche Einrichtung etabliert. Eine ähnliche Einrichtung existiert bereits seit längerem in Freiburg.
Kostenlose Raumnutzung für Veranstaltungen:
Es sollte eine kostenlose Raumnutzung für Veranstaltungen zur seelischen Gesundheit, Selbsthilfegruppen und Beratungen ermöglicht werden, beispielsweise im neuen Klinikum in Lörrach. Besonders sinnvoll wäre es, Räumlichkeiten von geschlossenen Kliniken zur Verfügung zu stellen, insbesondere für die Einrichtung von Krisenzimmern oder Krisenwohnungen.
Förderung von Schulungen und Weiterbildung:
Ehrenamtliche, die Hilfsangebote wie Genesungsbegleiter anbieten, benötigen mehr Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Gemeinsame Petition:
Eine gemeinsame Petition mit Unterstützung der Landesverbände kann dazu beitragen, den Forderungen mehr Gewicht zu verleihen.
Psychische Gesundheit stärken:
Initiativen zur Stärkung der psychischen Gesundheit sowohl von Profis wie auch von Ehrenamtlichen müssen gefördert werden
Personalorientierte Versorgung:
Eine bedarfsgerechte und personalorientierte Versorgung ist notwendig, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Maßnahmen sollten im Psychiatriegesetz evaluiert werden.
Mehr Austausch und Kommunikation:
Ein intensiverer Austausch und bessere Kommunikation mit den Psychiatriekoordinatoren der Landkreise ist erforderlich. Insbesondere auch landesweit mit den ehrenamtlichen Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen.
Unterstützung der Veranstaltungen in der Aktionswoche Seelische Gesundheit:
Veranstaltungen im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche zur seelischen Gesundheit sollten unterstützt werden.
Betroffenengerechte Einrichtungen:
Einrichtungen und Kliniken müssen auf Augenhöhe mit den Betroffenen arbeiten und deren Bedürfnisse berücksichtigen, um Selbststigmatisierung zu vermeiden.
Entlastung der Ärzte:
Die verstärkten Auflagen der Krankenkassen und die Vorschriften für Abrechnungen sind den Ärzten und Kliniken nicht mehr zumutbar. Diese Belastungen führen dazu, dass sich Ärzte anderweitig orientieren, was den Ärztemangel weiter verschärft. Ärzte und Kliniken müssen mehr für die Patienten da sein und nicht für die Administration. Die Budgetierung der Ärzte sollte überdacht werden, bzw. aufgehoben werden.
Thematisierung der Abwerbungen:
Die Abwerbungen von Psychiater/innen durch die Krankenkassen, um diese als Gutachter einzustellen, müssen thematisiert werden.
Attraktivität der Schweiz:
In der Grenznähe lockt die Schweiz mit besseren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, was die Situation zusätzlich verschärft.
Das neue ZFP – Zentrum für Psychiatrie in Lörrach:
Das neue Zentrum für Psychiatrie (ZFP) in Lörrach wird 2025 eröffnet. Ganz außerordentlich wichtig ist hier die Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das neue Zentrum wird sicherlich auch eine Entlastung für das ZFP in Emmendingen sein. Aber Flächendeckende Kliniken werden geschlossen und auf Lörrach konzentriert. Die weiterhin bestehenden Missstände in der psychosozialen und ambulanten Unterversorgung dürfen jedoch durch die neue Klinik in Lörrach nicht aus den Augen verloren werden.
Den seelisch und psychisch belasteten und erkrankten Menschen und ihren Angehörigen endlich gerecht werden:
Die psychosoziale und ambulante Versorgung muss schnellstens vorankommen, um den steigenden Anforderungen des Mehrbedarfs der seelisch und psychisch belasteten und erkrankten Menschen gerecht zu werden. Die psychiatrische Landschaft muss weiterhin gestärkt werden, sowohl im Landkreis Lörrach als auch in allen Landkreisen Baden-Württembergs.
Es geht weiter – Gemeinsam:
Die Kritik und Forderungen an die Krankenkassenvereinigungen und Verantwortlichen dürfen nicht stagnieren, sie müssen weitergeführt werden. Fördermittel dürfen nicht gekürzt, sondern müssen dringend freigegeben werden. Die Verantwortlichen bleiben in der Pflicht.
Kassenplätze und Kapazität für Psychotherapeuten/innen:
Missstand im System der Kassensitze für Psychotherapeuten/innen: Ein erheblicher Missstand ist, dasss ein Kassensitz voll angerechnet wird, selbst wenn die Therapeuten/innen nicht Vollzeit arbeiten. Dies führt dazu, dass in vielen Regionen, so auch im Landkreis Lörrach, eine Unterversorgung bewusst in Kauf genommen wird , obwohl die Kassensitzen offiziell als besetzt ausgewiesen werden. Beispiel: Es werden nur eine gewisse Anzahl von Kassenplätzen für die PT zur Verfügung gestellt. Pro Ort ist 1 Kassenplatz, gleich 100 % Kapazität, vorgesehen. Arbeitet ein/e Psychotherapeut/in aber nur halbtags, ist das ein 0,5 Kassenplatz, gleich 50 % Kapazität. Diese 0,5 Kassenplätze mit 50 % Kapazitäten werden leider mit 1 Kassenplatz und 100% Kapazität bewertet, somit wird hier in den Orten mit nur 0,5 Kassenplätzen und 50 % Kapazität die Unterversorgung bewusst in Kauf genommen. Hier ist dringender Handlungsbedarf gefordert.
Es geht weiter – Gemeinsam:
Die Kritik und Forderungen an die Krankenkassenvereinigungen und Verantwortlichen dürfen nicht stagnieren, sie müssen weitergeführt werden. Fördermittel dürfen nicht gekürzt, sondern müssen dringend freigegeben werden. Die Verantwortlichen bleiben in der Pflicht.
Landkreis Lörrach für ganz Baden-Württemberg:
Der Landkreis Lörrach steht exemplarisch für die gesamte Situation in Baden-Württemberg. Es ist daher dringend notwendig, jetzt zu handeln und gemeinsam die psychosoziale Versorgung zu verbessern. Nur durch geschlossenes und entschlossenes Handeln können wir die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen nachhaltig verbessern. Wir müssen allen eine Stimme geben.
Für den Vorstand des LVPEBW
Berthold Bausch
Hier finden Sie den ursprünglichen Aufruf: