
Ein Appell für die Einstellung von Menschen mit psychischer Erkrankung auf den ersten Arbeitsmarkt
Menschen, die in ihrem Leben einmal oder mehrmals eine psychische Erkrankung durchlitten haben, sind bei der Suche nach einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt mit starken Schwierigkeiten konfrontiert. Sie werden viel zu oft nicht eingestellt.
Wir möchten den Tag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober 2024 zum Thema „Psyche und Arbeitsplatz“ zum Anlass nehmen auf die fatalen Konsequenzen dieser Nichteinstellung für die Psychiatrieerfahrenen aufmerksam zu machen.
Psychische Erkrankungen bedeuten immer noch soziale Isolation. Teil dieser sozialen Isolation ist die Exklusion aus dem ersten Arbeitsmarkt. Wer keine Arbeit in dieser Gesellschaft innehat, der wird oft nicht respektiert und wird oft ausgeschlossen. Arbeit ist wesentliches Element einer Beteiligung an der Gesellschaft.
Aber der Arbeitsmarkt ist auf die Bedürfnisse von Menschen mit psychischer Erkrankung nicht zugeschnitten. Die hohe Arbeitslast, der Leistungsdruck, die fehlende Möglichkeit eines krankheitsbedingten längeren Ausfalls im Unternehmen – alles Aspekte, die eine Beschäftigung eines Menschen mit psychischer Erkrankung erschweren. Der Arbeitsmarkt möchte nur gesunde und uneingeschränkt leistungsfähige Mitarbeitende. Wer dieses Paradigma nicht erfüllt wird ausgeschlossen.
Psychiatrieerfahrene sind oft in ihrer Leistungsfähigkeit zeitweise eingeschränkt. Dies muss aber nicht unbedingt der Fall sein. Es gibt auch Psychiatrieerfahrene, die sehr wohl viel leisten können. Es ist auch ein gängiges Vorurteil, dass man von Menschen, die eine psychische Krise durchlitten haben, nicht viel Leistung erwarten kann. So werden bei der Einstellung alle Psychiatrieerfahrenen über einen Kamm geschert und es gilt der Glaubenssatz, dass psychische Erkrankung mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit einhergeht.
Der Ausschluss von Psychiatrieerfahrenen aus dem ersten Arbeitsmarkt ist fatal. Denn der Weg zurück zu einer Gesundung, einer Genesung und einer Recovery von psychischer Erkrankung ist oft ein Weg der Rückkehr und der Integration in die Gesellschaft. Ein positiver Blick auf das eigene Leben, eine Strukturierung des Alltags, eine Lebensperspektive und eine soziale Eingliederung in das Umfeld sind wesentlich für ein selbstbestimmtes Leben möglichst frei von weiteren krankheitsbedingten Krisen. Diese Rückkehr in die Gesellschaft bedeutet nicht selten auch eine Rückkehr zum Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung am Arbeitsmarkt bietet eine Chance sein Leben, das durch Krankheit gezeichnet ist, wieder in den Griff zu bekommen.
Daher appelliert der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener an Unternehmen, Politik und Staat: Unterstützt Psychiatrieerfahrene bei ihrem Versuch, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bei dem heutigen Fachkräftemangel kann es nicht sein, dass Stellen nicht mit Psychiatrieerfahrenen besetzt werden. Menschen, die nicht zu den Top-Leistungserbringern gehören, werden exkludiert.
Dabei wäre es wichtig, Wege zu finden, auch den manchmal nicht ganz so leistungsfähigen Psychiatrieerfahrenen eine Arbeit zu ermöglichen. Die Chance auf Beschäftigung kann nämlich dazu führen, dass die psychiatrieerfahrenen Mitarbeiter langsam wieder an Leistungsfähigkeit gewinnen und wieder zurück zu alter Stärke gelangen. Die Psychiatrieerfahrenen, denen eine solche Chance der Beschäftigung gegeben wird, werden unglaublich dankbar sein.
Es ist nicht so, dass Psychiatrieerfahrene sich an den Arbeitsmarkt anpassen müssen! Nein! Der Arbeitsmarkt muss sich an die Bedürfnisse der Psychiatrieerfahrenen anpassen. Die Hürde der Beteiligung am ersten Arbeitsmarkt ist hoch. Diese muss gesenkt werden und auch zeitweise eingeschränkt Leistungsfähige wieder eine Möglichkeit der Beschäftigung gegeben werden.
Die Exklusion aus dem Arbeitsmarkt von Menschen mit Psychiatrieerfahrung lohnt sich auch vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt nicht. Die Kosten der sozialen Hilfen bei Verrentung und psychosozialer Unterstützung sind enorm. Psychiatrieerfahrene sind durchaus fähig am ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Aber nicht zu dessen Bedingungen. Wir fordern Stellen, die die Arbeitsanforderungen für Psychiatrieerfahrene so gestalten, dass Psychiatrieerfahrene auch am ersten Arbeitsmarkt mitwirken können. Dann würden sich auch die volkswirtschaftlichen Kosten von psychischer Krankheit senken und Psychiatrieerfahrene würden, da sie keinem mehr „auf der Tasche liegen“, wieder Respekt und Wertschätzung erhalten