LVPEBW kritisiert voreilige Zuschreibung von psychischen Erkrankungen bei Straftaten

Ein Mensch legt gerade einen Brand in einem Kino

Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg äußert sich kritisch zur aktuellen Berichterstattung über den Amoklauf eines 38-jährigen Iraners in Krefeld, der in Medienberichten als „psychisch krank“ bezeichnet wird. Die voreilige Zuschreibung einer psychischen Erkrankung als Ursache für das strafrechtlich relevante Verhalten verharmlost die komplexen Hintergründe von Gewaltverbrechen und stigmatisiert Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Laut dem Bericht auf FOCUS Online wird der Täter Hassan N. als „psychisch krank“ beschrieben, ohne dass konkrete medizinische Diagnosen oder Behandlungen in Bezug auf seinen Zustand vorgelegt werden. Es wird stattdessen auf eine lange strafrechtliche Vorgeschichte verwiesen, die Fälle von gefährlicher Körperverletzung, versuchter Vergewaltigung und Sachbeschädigung umfasst. Dies deutet eher auf ein langfristiges kriminelles Verhalten hin, das über viele Jahre hinweg systematisch fortgeführt wurde und nicht zwangsläufig auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist.

Kriminelle Energie statt impulsivem Verhalten

Die Tat zeigt eine gezielte und strategische Vorgehensweise, bei der an mehreren Orten Brände gelegt und schließlich versucht wurde, ein Kino mit über 100 Menschen in Brand zu setzen. Der Einsatz von Benzin als Brandbeschleuniger und die bewusste Auswahl von Tatorten sprechen für eine planvolle Durchführung der Straftaten. Dies steht im Widerspruch zu typischen Merkmalen vieler schwerer psychischer Erkrankungen, bei denen Impulsivität und mangelnde Kontrolle häufige Symptome sind.

Der Landesverband weist darauf hin, dass die langfristige kriminelle Laufbahn von Hassan N., einschließlich der Nutzung falscher Identitäten zur Täuschung der Behörden und des grenzüberschreitenden Pendelns zwischen Deutschland und Frankreich zur Begehung von Straftaten, eine gezielte und strukturierte kriminelle Energie nahelegt. Solche Verhaltensweisen erfordern eine Planung und taktisches Vorgehen, die nicht typisch für Personen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen sind.

Stigmatisierung durch voreilige Zuschreibung von psychischen Störungen

Die pauschale Bezeichnung eines Täters als „psychisch krank“ ohne fundierte medizinische Beweise trägt zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei. Nicht jedes aggressives Verhalten oder jede Gewalttat ist durch eine psychische Störung erklärbar. Vielmehr können andere Motive wie Hass, kriminelle Bereicherung oder persönliche Rache eine Rolle spielen. Die Reduzierung schwerwiegender Verbrechen auf eine vermeintliche psychische Erkrankung verschleiert die wahren Ursachen und verhindert eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Täter und seinen Taten.

Forderung nach sorgfältigerer Berichterstattung und differenzierter Betrachtung

Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg fordert Medien und Ermittlungsbehörden dazu auf, bei der Berichterstattung über Straftaten differenzierter vorzugehen und nicht vorschnell eine psychische Erkrankung als Ursache zu vermuten. Es bedarf einer genauen Analyse der Umstände, die den Täter zu seinen Handlungen motiviert haben. Einseitige Darstellungen tragen dazu bei, Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verstärken und ihnen in der Gesellschaft eine unzutreffende Verantwortung für Gewalttaten zuzuschreiben.

„Die Bezeichnung ‚psychisch krank‘ sollte nicht leichtfertig verwendet werden, um Taten zu erklären, deren Ursachen komplexer sind als eine bloße medizinische Diagnose“, erklärt ein Sprecher des Verbandes. „Psychische Erkrankungen allein machen Menschen nicht zu Straftätern. Eine differenzierte und faktenbasierte Berichterstattung ist notwendig, um Missverständnisse und Vorurteile abzubauen.“

Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg wird weiterhin darauf hinwirken, dass die Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen gewahrt und sie nicht als Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme missbraucht werden.