Wir erwarten, dass in Beratungsgesprächen und in Infomaterialien zur Medikation umfassend aufgeklärt wird: Nicht nur über die erwünschten Wirkungen von Antidepressiva und Neuroleptika, sondern auch gleichrangig über die Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen kürzerer und längerfristiger Behandlungen.
Die Bereitschaft zur Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika ist Ergebnis einer individuellen Abwägung von Vor- und Nachteilen. In der Behandlung psychisch belasteter Menschen soll deshalb weder Zwang ausgeübt, noch Druck erzeugt werden, um die Betroffenen zur Einnahme von Psychopharmaka zu bewegen. In einem partnerschaftlichen Umgang gilt der Grundsatz „verhandeln statt behandeln“.
Gerade bei akuten Psychosen werden Neuroleptika immer noch oft viel zu hoch dosiert. Wir vertreten das Prinzip der möglichst niedrigen Dosierung und bei Bedarf des langsamen Aufdosierens wenn nötig über Wochen, um behutsam die minimale Behandlungsdosis zu finden. Wir wünschen uns Geduld und Verständnis, wenn es dann länger dauern sollte.
Patienten muss qualifizierte Unterstützung beim Reduzieren bzw. Absetzen der Psychopharmaka angeboten werden. Dazu ist es erforderlich, dass Fachärzte den erhöhten Aufwand in der Begleitung von Reduktions- oder Absetzprozessen von Psychopharmaka explizit mit entsprechenden Abrechnungsziffern bei den Krankenkassen abrechnen können.
Fachwissen über Wege des Reduzierens und Absetzens von Psychopharmaka muss verbindlicher Teil in der beruflichen Weiterbildung von Ärzten sein (Facharztausbildung, spezifische Zusatzqualifikationen).
Die für die Patienten schädliche Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die Verschreibungspraxis von Fach- und Hausärzten durch massive Werbung und die interessengeleitete Verwendung von Forschungsergebnissen muss beendet werden. Stattdessen ist verstärkt eine unabhängige Forschung zu fördern, um mehr Wissen über die positiven und negativen Effekte unterschiedlicher Dosierungen und langjähriger Nutzung zu erhalten.
Angehörige sollten wo immer möglich aktiv in die Behandlung und Begleitung einbezogen werden. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Betroffenen. Auch Angehörige müssen über die Wirkungen und Nebenwirkungen, aber auch über die Grenzen von Psychopharmaka informiert werden. Psychopharmaka dürfen nicht überschätzt werden. Sie wirken nicht immer; akute Krankheitsphasen sind auch bei regelmäßiger Einnahme möglich.
Es ist ratsam, eine Behandlungsvereinbarung zwischen Klinik und Patient zu erstellen. In ihr können aus bisherigen Erfahrungen Hinweise zur hilfreichen Medikation, aber auch zur Ablehnung bestimmter Behandlungsformen gegeben werden.